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Fahrzeugdaten

„Die Chancen sind enorm – aber wir brauchen faire Regeln“

19.07.2023

Faire und transparente Regeln für die Teilnahme am Markt der Mobilitätsdaten sind im Interesse der Verbraucher und können nur entstehen, wenn jetzt alle zusammenarbeiten – meinen führende Köpfe der Branche.

„Erst eine Gesetzgebung wird vielen Verbrauchern die Fähigkeiten ihrer Fahrzeuge bewusst machen“

Laurianne Krid, Director General der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) Region I
Laurianne Krid, Director General der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) Region I

„Die größte Herausforderung bei Fahrzeugdaten ist das Fehlen einer branchenspezifischen Gesetzgebung zur Regulierung dieses Datenflusses, was zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führt. Viele Verbraucher sind sich der vernetzten Fähigkeiten ihrer Fahrzeuge oder deren Nutzung nicht bewusst. Eine Gesetzgebung würde die Möglichkeiten für Verbraucher in der vernetzten Welt erweitern.

Unsere aktuelle Verbraucherumfrage zeigt, dass die Einführung vernetzter Fahrzeuge langsamer voranschreitet als erwartet und dass Verbraucher das Potenzial der neuen Technologie im Allgemeinen nicht erkennen. Ihre Erwartungen an vernetzte Autos sind im Großen und Ganzen die gleichen wie an traditionelle Mobilität: mehr Verkehrssicherheit und weniger Staus. Es sind Rechtsvorschriften erforderlich, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und Innovationen freizusetzen, die den Verbrauchern zugutekommen. Sie werden maßgeblich dazu beitragen, eine intelligentere und nachhaltigere Mobilität zu unterstützen und so die Fit-for-55-Ziele zu erreichen.

Datenschutzrisiken bestehen weiterhin, und Verbraucher sollten sich darüber im Klaren sein, was mit ihren Fahrzeugdaten geschieht, an wen sie gehen und zu welchem ​​Zweck. Darüber hinaus sollten Verbraucher das Recht haben, zu entscheiden, ob sie diese Daten überhaupt weitergeben möchten.“

„Diese Reise ist nicht allein zu bewältigen“

Norbert Dohmen, Managing Director, Caruso GmbH
Norbert Dohmen, Managing Director, Caruso GmbH

„Wir als Caruso ermöglichen unseren Kunden, auf der Grundlage von Daten vernetzter Autos lebensverbessernde Lösungen zu entwickeln. Auf unserer Plattform bieten wir harmonisierte Multibrand-In-Vehicle-Daten verschiedener Fahrzeughersteller an einem Ort sofort einsatzbereit an. Was treibt uns an? Wir sehen einen starken Anstieg der Verbrauchernachfrage nach Konnektivitätslösungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wir haben in der Vergangenheit gelernt, dass diese Reise nicht allein zu bewältigen ist. Dies ist nur möglich, wenn verschiedene Marktteilnehmer zusammenarbeiten. Mit unserem starken Netzwerk und der Unterstützung des Marktes sind wir in der Lage, diese Innovation mit technischen Verbesserungen voranzutreiben. Diese Entwicklungen werden auch in Zukunft die Automobilindustrie umgestalten und zu sichereren, effizienteren und personalisierteren Transporterlebnissen führen.“

„Wir brauchen eine sektorspezifische Regulierung“

Frank Schlehuber, Senior Consultant Market Affairs, CLEPA
Frank Schlehuber, Senior Consultant Market Affairs, CLEPA

„Fahrzeughersteller haben derzeit exklusiven Zugang zu den Daten aus Fahrzeugen und bieten zunehmend datenbasierte Services an. Konkurrierende Services sind abhängig vom Willen ihrer Wettbewerber, Daten zu akzeptablen Bedingungen bereitzustellen. Das ist kein attraktives Wettbewerbsumfeld für Wagniskapital und Innovation. Eine sektorspezifische Regulierung kann dies ändern. Wichtig sind Transparenz zu verfügbaren Daten pro Fahrzeug, fairer Zugang zu Daten und Ressourcen für alle Marktteilnehmer und ein gemeinsamer Datensatz, den möglichst alle Fahrzeuge unterstützen, sofern die technischen Voraussetzungen hierfür vorliegen.“

„Fahrzeugdaten zum Nutzen aller“

Ronan McDonagh, Technical Director, Figiefa, Foto: David Plas
Ronan McDonagh, Technical Director, Figiefa, Foto: David Plas

„Es werden riesige Datenmengen produziert, aber nur sehr wenige Daten werden den Dienstleistern zur Verfügung gestellt. Die Herausforderung besteht darin, Zugang zu einem konsistenten Datensatz in der Qualität zu erhalten, die für die Erbringung der Dienstleistungen erforderlich ist. Heute sind nur wenige Datenpunkte, wie z. B. der aktuelle Kilometerstand, übergreifend von den Herstellern verfügbar. Fahrzeuginterne App-Plattformen wie Android Automotive schaffen Möglichkeiten für die Bereitstellung von Diensten, aber das Risiko besteht darin, dass die Hersteller versuchen, diesen Zugang zu beschränken. FIGIEFA setzt sich für eine sektorale Gesetzgebung ein, um diese Bedenken auszuräumen. Die Ermöglichung des Zugangs zu Fahrzeugdaten, -funktionen und -ressourcen wird die Entwicklung eines reichhaltigen Ökosystems von Diensten im Bereich der Mobilität zum Nutzen aller ermöglichen.“

„Standards müssen her!“

Harald Pfau, Leiter des ASA-Fachbereich Software / PFAU-BERATUNG
Harald Pfau, Leiter des ASA-Fachbereich Software / PFAU-BERATUNG

„Die enorme Datenvielfalt ist eine große Herausforderung und muss daher zwingend standardisiert werden, um den den Herstellern nachfolgenden Prozessteilnehmern wie Teilehandel, Werkstatt und Endverbraucher als wirtschaftliches Erfolgsmodell zu dienen. Die Unterbindung von monopolistischen Aktivitäten sowie eine Integration in Softwaresysteme über alle Nutzerprofile hinweg können nur dann sinnvoll, verständlich und nutzbar implementiert werden. Eine notwendige Voraussetzung, um komplexe Datenstrukturen nutzbar zu machen, besteht darin, daraus ,einfache‘ und jeweils ,systemrelevante‘ Datencontainer zu bilden. Schlagworte wie ,sicher‘, ,sauber‘ oder ,komfortabler‘ haben nur dann als Realisierungsziele für eine breites Umfeld von dienstleistenden Wettbewerbern Bestand, wenn sie unter einem klaren Rechtsanspruch und sinnvollen datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen – auch unter internationaler Wettbewerbsbetrachtung – realisiert werden können.“

„Mehrwerte wie vorausschauende Wartung“

Dr. Roman Cunis, Head of ZF Aftermarket Diagnostics Solution Management
Dr. Roman Cunis, Head of ZF Aftermarket Diagnostics Solution Management

„Die im Fahrzeug generierten Daten können den Verkehr effizienter und sicherer machen. Gleichzeitig erlaubt die Auswertung von Fahrzeugdaten, neue digitale Services zu entwickeln. Werden Daten – natürlich nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Nutzers – in einer Cloudstruktur gespeichert, schaffen moderne Prozesse auf Basis künstlicher Intelligenz Mehrwerte, dazu gehören beispielsweise die Vorteile, die aus einer vorausschauenden Wartung des Fahrzeugs entstehen. Ein wichtiger Aspekt der Datennutzung für uns als Entwicklungspartner der Automobilindustrie liegt in der Auswertung und Interpretation der Daten aus unseren Komponenten. Sie ermöglichen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess hinsichtlich Funktionalität, Komfort und Lebensdauer. Entscheidend für all diese Ansätze ist ein Ökosystem, in dem Daten in einer sicheren, kollaborativen und vertrauenswürdigen Umgebung geteilt und verfügbar gemacht werden können.“

„Wir brauchen faire Marktbedingungen“

Klaus Heimgärtner, Jurist, ADAC, Foto: ADAC
Klaus Heimgärtner, Jurist, ADAC, Foto: ADAC

„Der Zugang zu Fahrzeugdaten ist ein zentraler Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen, die auf dem Aftersales-Markt tätig sind. Mit zunehmender Vernetzung steigt die wirtschaftliche Relevanz des Datenzugangs weiter an. Daher ist eine der großen Herausforderungen bezüglich des Zugangs zu Fahrzeugdaten, dass im Rahmen einer umfassenden europäischen Gesetzgebung faire Marktbedingungen geschaffen werden.

Der bereits auf alle Daten generierenden Produkte zielende EU Data Act, der sich nach wie vor im Gesetzgebungsprozess befindet, reicht dazu bei Weitem nicht aus. Um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, ist zusätzlich eine sektorspezifische Regelung zeitnah zum Data Act erforderlich. Nur damit kann sichergestellt werden, dass nicht nur die Hersteller den Zugriff auf die Daten haben, sondern auch marktbeteiligte Dritte um die Gunst des Fahrzeugnutzers und um dessen Daten buhlen können.

Ohne einen spezifischen Rechtsrahmen drohen sowohl den marktbeteiligten Dritten wie auch den Verbrauchern erhebliche Nachteile. Nur durch entsprechende Regulierung sieht der ADAC einen fairen Wettbewerb auf dem Kfz-Aftersales-Markt gewährleistet. Zudem könnten auf diese Weise die Daten auch besser für andere Zwecke, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen, genutzt werden.“

„Verlässliche Daten sind entscheidend“

Jörg Reimann, CEO, Digital Charging Solutions
Jörg Reimann, CEO, Digital Charging Solutions

„Die Anzahl der E-Fahrzeuge in Deutschland nimmt stetig zu. Ebenso die Anzahl der Ladepunkte. Der Zugang mit digitalen Lösungen ist in der Praxis angekommen. Reichweitenangst ist längst kein Thema mehr. E-Mobilität setzt sich durch und das Tempo der Veränderung ist beeindruckend. Entscheidend dafür sind verlässlichen Daten, digitalen Services und ein einfacher flächendeckendem Zugang zur Infrastruktur. Die Verkehrswende gelingt nur dann, wenn sie gemeinsam mit der Energiewende gedacht wird und wenn politische Rahmenbedingungen diese befeuern und nicht behindern. Alle Stakeholder sollten an einem Strang ziehen und dasselbe Ziel vor Augen haben. Der Moment auf E-Mobilität umzusteigen war nie besser!“

„Gemeinsam funktionierende Datenmärkte“

Dr. Joachim Göthel, Senior Consultant Fahrzeuggenerierte Daten, UN-ECE Regulierung für Cybersecurity (CSMS & SUMS), Verband der Automobilindustrie (VDA)
Dr. Joachim Göthel, Senior Consultant Fahrzeuggenerierte Daten, UN-ECE Regulierung für Cybersecurity (CSMS & SUMS), Verband der Automobilindustrie (VDA)

„Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat mit dem ADAXO-Konzept ein marktverfügbares Verfahren zum Zugriff auf fahrzeuggenerierte Daten entwickelt, das die Mission der deutschen Automobilindustrie, gemeinsam funktionierende Datenmärkte zu schaffen, in die Realität umsetzt. Das ADAXO (Automotive Data Access, Extended and Open) Konzept garantiert dabei die Erfüllung wichtiger Herausforderungen wie die Datensouveränität für Kundinnen und Kunden, ein faires Teilen der Daten mit Serviceanbietern und nicht zuletzt einen sicheren Betrieb der vernetzten Fahrzeuge. Auch die Sicherheit im Umgang mit den Daten und der Datenschutz stehen hierbei im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an erster Stelle.“

„Chancen für die Werkstätten“

Jonathan Pfeiffer, Head of Global Product Management Service Solutions, Mahle Aftermarket GmbH
Jonathan Pfeiffer, Head of Global Product Management Service Solutions, Mahle Aftermarket GmbH

„Wir bei MAHLE Aftermarket arbeiten daran, unseren Kunden, den freien Werkstätten, praktische Chancen aus dieser Entwicklung zu schaffen und nutzbar zu machen. Fast alle Fahrzeughersteller setzen auf sogenannte Security Gateways, um die Diagnosedaten ihrer Fahrzeuge zu verschlüsseln. Wir bieten mit dem MAHLE Cyber Security Pass eine Funktion, mit der sich verschlüsselte Fahrzeugdiagnosedaten vieler Hersteller mit unserem Diagnosegerät TechPRO zentral auslesen lassen. Wir erwerben ständig neue Rechte an Security Gateways und bauen unsere Datenbank so um weitere Hersteller und zukünftige Cybersicherheitsanforderungen aus. Dank der effizienten Nutzung der Fahrzeugdaten unterstützt MAHLE die freien Werkstätten dabei, Service- und Wartungsarbeiten schnell, präzise und sicher auszuführen.“

„Der Zugriff auf die Daten ist entscheidend“

Richard Goebelt, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter des Fachbereichs Fahrzeug und Mobilität, TÜV-Verband, Foto: Tobias Koch
Richard Goebelt, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter des Fachbereichs Fahrzeug und Mobilität, TÜV-Verband, Foto: Tobias Koch

„Die Automobilindustrie steht vor der Herausforderung, die Entwicklungs-, Validierungs-, Zulassungs- und Prüfverfahren von Fahrzeugen und Mobilitätsdienstleistungen angesichts digitaler und vernetzter Systeme anzupassen. Diese Testverfahren werden benötigt, um die Einhaltung von verkehrssicherheitsrelevanten Vorschriften zu gewährleisten sowie Fehlfunktionen, Verschleiß und Manipulationen von Assistenz- und automatisierten Fahrfunktionen während des gesamten Lebenszyklus effizient bewerten zu können. Sicherheitsrelevante Funktionsupdates für Kraftfahrzeuge werden in Zukunft vermehrt over-the-air verfügbar sein. Der Zugriff auf originale und unveränderte Fahrzeugdaten ist daher für Behörden und Prüfinstitutionen entscheidend und erfordert sichere digitale Schnittstellen sowie robuste Datenschutz- und Cybersecuritymechanismen. Nur so haben wir die Chance, das Vertrauen und die Akzeptanz der Nutzer:innen für das automatisierte Fahren zu gewinnen, die individuelle und städtische Mobilität zu verbessern und Missbrauch zu verhindern. Um die Aufgaben von staatlichen Behörden und Dritten zu ermöglichen, sind gesetzliche Regelungen zum Datenzugang im Mobilitätssektor unerlässlich.“